Große Fußballfans

Dies ist die Geschichte von zwei Freunden, die beide eine ähnliche Lebensgeschichte haben. Beide sind aufgewachsen in verschiedenen Heimen, beide haben auf dem Wichernhof Dehmen gelebt, beide sind von dort in eine eigene Wohnung gezogen und werden durch das Ambulant begleitete Wohnen (ABW) begleitet. Was beide vereint, ist ihre Freundschaft und ihr gemeinsames großes Hobby, der FC Hansa Rostock. So viel der Gemeinsamkeiten, doch beide haben auch eine eigene Geschichte.

Als 2002 das Projekt Trainingswohnen als „Ableger“ der Wichernhofes startete, war Rene einer der „Auserwählten“. Mit Erfolg, denn im Januar 2004 war er auch einer der Ersten, die in eine eigene Wohnung zogen und von diesem Zeitpunkt an bis heute durch das ABW begleitet werden. Zuvor hatte er seit 1988 im Wichernhof gelebt und davor in verschiedenen Kinderheimen. Auch wenn Rene durch seine undeutliche Sprache für Außenstehende schwer zu verstehen ist, ist er sehr kontaktfreudig und unternehmungslustig. Wann immer eine Reise oder Freizeitaktivität durch das ABW angeboten wird, ist er dabei. Seine große Leidenschaft ist der FC Hansa Rostock. Anfangs nahm er an begleiteten Fahrten teil, aber seine Leidenschaft ist größer als die Ressourcen einer jeden Einrichtung. So war es irgendwann folgerichtig, dass mit ihm geübt wurde, alleine nach Rostock zu fahren, sich dort zurechtzufinden und auch wieder zurück. Dieses klappt sehr gut, auch dadurch, dass ihn mittlerweile alle dort kennen und er Teil der großen Hansa-Familie ist. Nicht zu verschweigen ist, dass es in diesem Zusammenhang auch schon zu Verfehlungen kam, die rechtliche Konsequenzen nach sich zogen. Dieses musste danach mit ihm intensiv ausgewertet werden, damit er versteht, wo die Grenzen des Erlaubten sind und sich dieses nicht wiederholt. Seit 2012 hat Rene eine Dauerkarte für alle Heimspiele und der Kauf dieser Karte wie auch gelegentliche Einkäufe im Fanshop sind die wenigen Unterstützungen, die er dabei von den Mitarbeitern des ABW noch braucht.

Bernd kam als 15-Jähriger 1973 auf den Wichernhof nach Dehmen. Da er eine starke Hör- und Sprechbehinderung hat, wurden seine Fähigkeiten oft unterschätzt. Auch deshalb dauerte es bis 2014, bis ihm der Umzug in eine eigene Wohnung zugetraut wurde; auch nicht von allen Personen, die ihn bis dahin begleitet haben. Allen Widerständen zum Trotz meistert Bernd das Leben in der eigenen Wohnung auch mit Unterstützung des ABW hervorragend. Er kann sich sehr gut in bekannter Umgebung orientieren und auch selbst versorgen. Auch Bernd ist sehr kontakt- und unternehmungsfreudig und großer Hansa-Fan. Anfangs fuhr er mit einer Gruppe des Wichernhofes zu den Spielen, gemeinsam mit Rene traute er sich dann bald schon, ohne diese Gruppe zu fahren.

Bernd und Rene haben sich nicht gesucht, aber gefunden. Gemeinsam fahren sie mittlerweile auch zum Speedway, zur Disco nach Bützow und zu fast jedem Heimspiel ihres Vereins. Sie sind fest akzeptierter Bestandteil der Fangemeinde, wobei Bernd von den Erfahrungen, die Rene schon gemacht hat, profitieren konnte. Sie haben schnell gelernt, wie sie alleine oder in der Gruppe nach Rostock und in das Stadion kommen. Wenn man sie trifft, berichten sie immer über die aktuelle Situation des Vereins, freuen sich mit und leiden auch mit, wie vermutlich alle richtigen Fußballfans.