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„Wir kennen die Geschichten“

Den Menschen hinter den Schulden sehen, das tut unsere Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung seit mittlerweile dreißig Jahren.

04.01.2024
Annett Campehl
Unsere Beraterinnen sehen die Menschen mit ihren Geschichten
Unsere Beraterinnen Annett Campehl (l.) und Susanne Wichmann Foto: Diakonie Güstrow

Wussten Sie, dass rund neun Prozent und damit etwa jeder elfte Erwachsene in Deutschland überschuldet ist? Und dass es damit beinahe sechs Millionen direkt Betroffene gibt? Diese Zahlen sind beeindruckend und werden immer wieder angeführt, um auf die Problematik aufmerksam zu machen. Gleichzeitig kann wohl niemand die Zahl von sechs Millionen tatsächlich erfassen. So bleibt die Zahl der Betroffenen abstrakt und verliert rasch an Bedeutung. Greifbarer wird das Ganze, wenn wir die Zahlen auf unseren Wohnort, unsere Familie, Freunde herunterbrechen. Vielleicht zählen Sie Ihre Bekannten, Nachbarn oder Kollegen einmal durch. Jeder elfte davon ist statistisch gesehen von Überschuldung betroffen. Wie viele kommen da in Ihrem persönlichen Umfeld zusammen? Mehr als Sie dachten, vermute ich.

Und wer von denen hat nun tatsächlich Schulden, die er oder sie nicht vereinbarungsgemäß zurückzahlen kann? Über dieses schambesetzte Thema spricht kaum jemand offen. Ansehen kann man es den Betroffenen erst recht nicht. Sollte sich jemand Ihnen anvertraut haben, versichere ich Ihnen, es gibt weitere Überschuldete in Ihrem Umfeld. Ehrlicherweise würden die meisten Nicht-Betroffenen zugeben müssen, dass die Problematik der Überschuldung in ihrem Alltag, in ihrem Denken keinerlei Rolle spielt und sie auch gar nicht ernsthaft hinterfragen, ob jemand Geldsorgen hat und warum. Bei all den Baustellen, die jeder Einzelne hat, ist das durchaus verständlich – macht es den Betroffenen aber umso schwerer, über ihre Sorgen zu sprechen.

Wo also werden sie gesehen und gehört? Wo sind sie nicht Eine*r von sechs Millionen, sondern der individuelle Mensch mit eigener Geschichte? Wer urteilt nicht, sondern schaut nach vorn und sucht gemeinsam Lösungen für die persönliche Problemlage? Richtig – wir in der Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung der Diakonie Güstrow sind diejenigen, die das offene Ohr für die Geldnöte der Ratsuchenden haben. Wir geben den Menschen Raum und Zeit, sich zu offenbaren, ihre Geschichte zu erzählen, über Ängste und (nicht nur finanzielle) Sorgen zu sprechen. Wir begleiten die Ratsuchenden auf ihrem Weg, der meist hoffnungsvoll beginnt, aber durchaus auch schmerzvoll und oft lang sein kann.

Für uns Beraterinnen ist die Zahl der Überschuldeten schon lange keine anonyme Menge mehr. Statistische Zahlen haben bei uns Namen und Gesichter bekommen, wir kennen die Geschichten dahinter. Wenn ich in Güstrow unterwegs bin, bin ich manchmal immer noch erschrocken, wie viele Menschen ich aus der Beratung kenne – in allen Bevölkerungsschichten. Heute sehe ich beim Spaziergang den Handwerker, dessen Frau unerwartet früh starb und der die Finanzierung für das gemeinsame Haus nicht allein stemmen konnte. Letzte Woche fuhr ich an der jungen Mutter vorbei, die sich aus nachvollziehbaren Gründen vom Vater ihres Kindes getrennt hatte und vom Elterngeld nicht mehr alle Ausgaben für sich und das Kind tragen konnte. Zwar verdiente sie vor der Geburt ihres Kindes als Krankenschwester nicht schlecht, aber als nunmehr Alleinerziehende würde sie nach Ende der Elternzeit nicht mehr im Dreischichtsystem arbeiten können, so dass grundsätzlich fraglich war, wie es finanziell weitergehen könnte. Bei einem Besuch im Pflegeheim bemerke ich die Mitarbeiterin, die früher im Unternehmen ihres Mannes mitgearbeitet hat, wovon sie gemeinsam einigermaßen den Lebensunterhalt der vierköpfigen Familie bestreiten konnten, deren Rücklagen aber nicht ausreichten, um die Einkommenseinbußen während der Coronapandemie auffangen zu können und die das Gewerbe daher aufgeben mussten.

Diese Geschichten und noch viele mehr sehe ich, wenn ich mich umschaue. Geschichten, die verborgen bleiben, wenn es um Statistiken geht oder darum, ob und wie Beratungsstellen finanziert werden. Umso wichtiger ist es, dass wir in jetzt 30 Jahren Schuldnerberatung in der Diakonie Güstrow all diese Geschichten hören und wahrnehmen und den Menschen hinter den Schulden sehen konnten. Bleibt zu hoffen, dass auch wir als Helfende gesehen werden, um dies weiterhin tun zu können.

Sprechen Sie uns gerne an!

Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung
Platz der Freundschaft 14 c
18273 Güstrow
Telefon: 03843 776 1777
schuldnerberatung@diakonie-guestrow.de

Nutzen Sie gerne auch unser Online-Beratungsportal!

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