Am 5. Mai 2022, dem Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen, lud das Diakonische Werk Mecklenburg-Vorpommern e.V. Sozialpolitiker, Träger der Eingliederungshilfe und Experten in den Wichernsaal nach Schwerin ein, um zu verdeutlichen, wo die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention noch stockt. Nach einem Auftakt der Schüler der Weinbergschule und Impulsen von Landespastor Paul Philipps, Sozialministerin Stefanie Drese und Diakonie-Vorstand Henrike Regenstein ging es zum Austausch an die Themen-Tische "Wohnen", "Mobilität", "Arbeiten" und "Integrierter Teilhabeplan".
Am Themen-Tisch „Wohnen“ stellte Einrichtungsleiter Benjamin Schmitz den Wichernhof Dehmen als besondere Wohnform für Menschen mit Behinderungen vor. Denn eine Wohngemeinschaft zu finden, beziehungsweise den Ansprüchen der Vermieter und Bewohner gerecht zu werden, ist leider nicht für jeden machbar und „rollstuhlgerecht“ reicht nicht immer aus. „Ich denke da vor allem an Menschen, die nicht immer leise sein können. Bei denen auch mal Dinge zu Bruch gehen. Menschen mit besonderem Verhalten und damit zusammenhängendem Unterstützungsbedarf“, so Benjamin Schmitz. „Ich denke da an so etwas wie verhaltens- oder auch sinngerecht“.
Tempo machen für Inklusion
Barrieren sichtbar machen und vermeiden: In Schwerin stellte Benjamin Schmitz den Wichernhof als besondere Wohnform für Menschen mit Behinderungen vor.

Was Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf wirklich brauchen
Aktuell leben 80 Menschen mit unterschiedlich stark ausgeprägter geistiger, körperlicher oder Mehrfachbehinderung sowie besonderem Unterstützungsbedarf in der Diakonie-Einrichtung Wichernhof in Dehmen. In den beiden Kleinstwohnungen kann man den Bedarfen gerechter werden. Allerdings spielen hier oft andere Barrieren eine Rolle. „Die Idee ist, unsichtbare Barrieren bezüglich der Gestaltung von Wohnraum für diese Menschen zu mindern oder zu vermeiden. Nur so können sie innerhalb einer Wohngruppe adäquat begleitet werden“, weiß der gelernte Heilerziehungspfleger.
Beispiele dafür sind ggf. gedämmte Wände und Lampen, die in der Decke integriert sein können und andere bauliche Besonderheiten, da man hier weniger Kompromisse mit den Bedarfen der Mitbewohner schließen muss. Da typische Tagesräume häufig der Herd für Auseinandersetzungen und Konflikte sind, wurde in diesen WGs bewusst darauf verzichtet und der Schwerpunkt auf den privaten, eigenen Wohnraum gelegt.
Am Wichernhof könnten sich auch andere Träger oder Architekten ein Beispiel nehmen, wenn sie wollen, dass wirklich jeder Mensch sich in seinen eigenen vier Wänden wohlfühlt. Denn auch Landespastor Paul Philipps weiß: „Jede Barriere verhindert gesellschaftliche Teilhabe. Mit unserer diesjährigen Veranstaltung, die Menschen mit Behinderungen und Politik zusammenbringt, wollen wir zeigen, dass wir durch gemeinsames Engagement unsere Zukunft inklusiv gestalten können.“ Hier sind also einerseits Vermieter gefragt, die Wohnraum zur Verfügung stellen und die Kostenträger, die den finanziellen Mehraufwand mittragen und Wohnangebote mit speziellerer Ausrichtung auch finanziell im Rahmen der Personal- aber auch Investitionskosten unterstützen.
Hintergrund
Das Diakonische Werk möchte erreichen, dass die Umsetzung des 2. Maßnahmenplanes der Landesregierung zur Verwirklichung der UN-Behindertenrechtskonvention für die Menschen mit Behinderungen erlebbar und spürbar wird. Ihre konkreten Vorstellungen müssen dann direkt in den 3. Maßnahmenplan einfließen und dies in einer Form, die für alle Menschen verständlich gestaltet ist. Im Bereich „Wohnen“ fordern sie konkret: Den barrierefreien Wohnungsbau in Mecklenburg-Vorpommern voranzutreiben und betreute Wohnformen zu modernisieren. Dabei muss das Wohnen für Menschen mit Behinderungen bezahlbar bleiben.