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Mama und Papa im Gefängnis

Das Beratungszentrum Bützow begleitet sozialpädagogisch das Projekt „Kinder von Inhaftierten“ der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bützow.

16.01.2024
Stefanie Daug
Für Kinder von Inhaftierten ist die Trennung oft schwer zu ertragen
Dass Eltern inhaftiert sind, hat oft soziale und gesundheitliche Folgen für die Kinder Symbolbild: Adobe Stock

Viele Strafgefangene sind auch Eltern. Mit der Inhaftierung stellt sich die Frage, wie Eltern und Kinder ihre Verbindung aufrechterhalten können. Vor allem für die Kinder ist die monate- oder jahrelange Abwesenheit ihrer Mütter oder Väter oft nur schwer zu ertragen. Der Verlust belastet, verunsichert, stigmatisiert. Nicht selten erleben Kinder von Inhaftierten, dass sie nicht mehr zum Spielen oder zum Kindergeburtstag eingeladen werden. Oder sie müssen ihr vertrautes Umfeld verlassen, weil Zuhause ein Einkommen fehlt oder sie in Pflegefamilien kommen.  

Bislang waren die sozialen und gesundheitlichen Auswirkungen elterlicher Inhaftierung, die sich auf das gesamte weitere Leben erstrecken können, kaum auf dem Schirm der Hilfesysteme. Deshalb engagiert sich das Netzwerk Kinder von Inhaftierten (KvI) in Mecklenburg-Vorpommern und baut eine Unterstützungsstruktur und Vernetzung zwischen Justiz und Jugendhilfe auf. In diesem Rahmen startete die JVA Bützow zu Jahresbeginn ihr Unterstützungsangebot „Kinder von Inhaftierten“, das vom Beratungszentrum Bützow sozialpädagogisch begleitet und von der Auridis-Stiftung über einen Zeitraum von drei Jahren gefördert wird. 

Gespräche und Begleitung im Gefängnis

Seitdem ist Britta Schacht, die in der sozialpädagogischen Familienhilfe unseres Beratungszentrums arbeitet, regelmäßig hinter den hohen Mauern der Haftanstalt unterwegs. Ihre Arbeit in der JVA besteht im Prinzip aus drei Bausteinen: Gruppen- und ggf. Einzelgespräche mit den inhaftierten Eltern, begleitete Kinderbesuche im Gefängnis sowie Kinder- und Angehörigengespräche außerhalb der Haftanstalt.

„Für mich war das alles Neuland“, erzählt die gestandene Sozialpädagogin, „aber, ich habe nie Berührungsängste mit den Gefangenen gehabt. Mich interessiert nicht, welche Straftaten sie begangen haben – das müssen sie mit ihrem Gewissen und mit dem Richter ausmachen. Mir geht es um die Kinder. Sie leiden unter dem Verlust des Elternteils in ihrem Alltag, sind quasi mit bestraft. Ich möchte helfen, wo ich kann.“

Die Eltern bewegen verschiedene Themen

Am Anfang stand das Kennenlernen mit den inhaftierten Eltern. Es galt, Vertrauen aufzubauen, eine Gesprächsebene zu schaffen. Die Gespräche mit Britta Schacht sind freiwillig, aber irgendwie ist sie auch ein Weg zu „mehr Kontakt zum Kind“, also muss man mit der Sozialpädagogin zusammenarbeiten. „Die Inhaftierten begegneten mir mit Skepsis und es dauert mit dem Vertrauensaufbau eine Weile“, bestätigt Britta Schacht.

Alle 14 Tage trifft sie sich mit verschiedenen Elterngruppen, um in zwei Stunden über Themen, die bewegen, zu reden. Vor allem die Mütter geben Impulse. Im Laufe der Zeit zeigt sich, dass viele der Eltern ähnliche Sorgen teilen: Wie erkläre ich meinem Kind die Haft? Wie lässt sich ein gesundes Verhältnis aufbauen oder bewahren? Wie spiele ich mit meinem Kind ohne das Handy zu nutzen? Was machen wir während der Besuchszeiten? Auch aktuelle Nachrichten, wie z. B. der Tod des 13-jährigen Mädchens nach Einnahme der Ecstasy-Pille im Sommer, werden zum Anlass genommen, um miteinander zu sprechen.

Wer signalisiert, dass er lieber persönlich mit Britta Schacht reden möchte, mit dem führt sie Einzelgespräche. Nichts von diesen Gesprächen dringt nach „draußen“ zur Anstaltsleitung, zu den  Psychologen oder Sozialarbeitern. „Was in der Gruppe erzählt wird, ist vertraulich“, so Britta Schacht, „das wissen die Inhaftierten. Nur so kann man eine Basis für diese Gespräche schaffen.“ 

Jede Woche ist Familienzeit im Gefängnis

Seit April finden Kinderbesuche mit mehreren Familien statt. Mittwochs und donnerstags nachmittags geht Britta Schacht mit den bis zu zehn Jahre alten Kindern und ihren Angehörigen in den Besucherraum, wo die inhaftierten Eltern warten. Die Kinder rennen in die Arme von Mama oder Papa. Zwei Stunden dürfen sie bleiben. Sie spielen, erzählen, kuscheln und toben miteinander, bauen eine körperliche Bindung auf. „Es ist schön zu sehen, dass die Kinder teilweise gar nicht merken, wo sie sind“, sagt Britta Schacht. Sie ist dankbar für das Vertrauen, dass die JVA schenkt, um diese neue Familienzeit zu ermöglichen. Im Besucherraum ist kein Beamter dabei, die Sozialpädagogin ist für den Fall des Falles lediglich mit einem Funkgerät ausgestattet. Die Besuchszeit liegt familienfreundlich am Nachmittag, aber trotzdem gibt es einige, die diese Zeiten nicht wahrnehmen können, weil sie nicht in Bützow oder der Umgebung wohnen. Gemeinsam mit der JVA-Familienbeauftragten organisiert Britta Schacht auch Feste für die Kinder und Eltern im Rahmen des Projekts. Im vergangenen Frühling fand eines statt, auch ein Adventsbastelnachmittag im November.

Was als nächstes wachsen wird, sind die Gespräche mit den Kindern und Angehörigen in den Räumen der Diakonie oder in der Häuslichkeit der Angehörigen. „Das kommt erst ins Rollen“, sagt Britta Schacht. Auch diese Gespräche sind freiwillig, bedürfen Vertrauen, ein „sich öffnen“. Es gibt etliche Eltern in der Haftanstalt, die schlechten oder gar keinen Kontakt zu ihren Kindern haben. „Wenn wir den ersten helfen können, Kontakt aufzubauen, fassen hoffentlich auch andere Mut, unser Unterstützungsangebot zu nutzen.“

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