Ein Leben in Gemeinschaft
Das Wohnhaus Kastanienstraße feiert(e) in diesem Jahr das 25-jährige Jubiläum. Alle (fast alle) Bewohner leben schon viele Jahre zusammen unter einem Dach – und fühlen sich sehr wohl.

Im Wohnhaus Kastanienstraße bieten wir für erwachsene Menschen mit geistiger und körperlicher Behinderung ein schönes Zuhause bis ins hohe Alter. Doch, nicht immer war es ein Wohnhaus dieser Art. Gebaut im Jahr 1936, diente es jahrzehntelang als Altenpflegeheim, auch bekannt in Güstrow unter dem Namen „Domaltersheim“, da es 1950 der Domgemeinde gestiftet wurde. In den Neunziger Jahren zeichnete sich ab, dass das Haus nicht als Pflegeeinrichtung weitergeführt werden konnte. 1997 übergab die Domgemeinde das Haus an die Diakonie Güstrow. Es wurde dem Fachbereich der Behindertenhilfe zugeordnet und zu einem Wohnheim umgebaut.
Für die Behindertenhilfe der Diakonie Güstrow erfüllte sich damit ein großer Wunsch. Endlich konnten Menschen mit Behinderungen aus dem ländlichen Dehmen und vor allem aus dem Elisabeth-Haus Werle in die städtische Gemeinde integriert werden. Das Elisabeth-Haus gehörte seit 1992 zum Wichernhof. Hier wurden zunächst bis in die Sechziger Jahre junge Mädchen in diakonischen Arbeitskursen während der Übergangszeit von Schule zu Beruf ausgebildet, später Mädchen mit geistiger Behinderung betreut. Dies lag in der Hand von Schwestern aus dem Bibelhaus Malche, zu DDR-Zeiten einem freien Werk der Evangelischen Kirche. Insgesamt betreuten die Malche-Schwestern 40 Mädchen und Frauen mit geistiger Behinderung.
Viele dieser Frauen zogen vor 25 Jahren aus dem Elisabeth-Haus Werle in das frisch fertiggestellte Wohnhaus in die Kastanienstraße Güstrow. „Der Umzug fiel ihnen sehr schwer“, erzählt Andreas Zobel, der damals den Bereich der Behindertenhilfe leitete. „Doch die deutliche bessere Wohnqualität und die tollen Angebote in Güstrow überzeugten die Damen schnell.“ Die Männer, die ebenfalls im Jahr 2000 in das Wohnhaus Kastanienstraße einzogen, lebten zuvor in einer Wohngruppe in den Feierabendhäusern in der Güstrower Burgstraße. „Auch ihre Wohnbedingungen in dem alten Fachwerkhaus waren äußerst bescheiden“, so Andreas Zobel.
Auch Petra Krischik, die von Anfang an als Fachkraft im Wohnhaus Kastanienstraße arbeitet, erinnert sich an die erste Zeit und eine humorvolle Begebenheit : „Nach dem Umzug ins Wohnhaus gingen zwei der Damen in die Stadt, um die neue Freiheit zu genießen. In ein Restaurant, um etwas zu essen. Aber, nach dem Essen stellten sie fest, dass ihr Geld nicht reicht. Sonst war immer ein Mitarbeiter dabei, der bezahlte. Also machte sich eine der Beiden auf den Weg, um Geld zu holen. Sie machte aber einen Abstecher in einen Getränkeladen und lernte dort einige Kunden kennen. Irgendwann rief der Besitzer des Getränkeladens bei uns im Wohnhaus an und informierte uns, dass eine unserer Bewohnerinnen bei ihm stehe. Als eine Kollegin im Laden eintraf, erfuhr sie, dass die andere Dame im Restaurant noch „ausgelöst“ werden müsste.“
Diese unmittelbare Stadtnähe war neu, förderte aber von Anfang an das Selbstbewusstsein unserer Bewohner. Sie ist zugleich auch Teil der Inklusionsstrategie in der Stadt und im Quartier, in dem das Wohnhaus selbstverständlich als Nachbar wahrgenommen wird. Obwohl das Wohnhaus vor allem für Menschen da ist, die ihren Tagesablauf auch mit Aktivitäten außerhalb des Hauses gestalten, stellen wir uns auch höheren Bedarfen im Rahmen von Verhaltensauffälligkeiten und höheren Pflegegraden.
Heute leben 45 Bewohner und Bewohnerinnen in der Kastanienstraße 6. Einige von ihnen sind bereits im Rentenalter und genießen ihren Ruhestand, andere gehen zur Arbeit in die Güstrower Werkstätten. Viele legen großen Wert auf die Nähe zu Güstrows Altstadt und nehmen selbstständig und selbstbestimmt die Angebote, die die Stadt bietet, wahr. Allen ist auch ein gemeinschaftliches Leben und die Pflege von Freundschaften sehr wichtig. Viele Stunden verbringen sie gemeinsam und schaffen so Erinnerungen für das Leben. Dabei ist der parkähnliche Hof ein gern besuchtes Plätzchen.
Drei Bewohner bzw. Bewohnerinnen berichten von ihrem Leben im Wohnhaus Kastanienstraße.