Viele Altenpflegeheime der DDR entsprachen zudem in ihrer Qualität, Bauweise und Personalsituation nicht den Anforderungen an eine moderne Pflege. Auch die stark sanierungsbedürftigen Alten- und Pflegeheime im damaligen Landkreis Sternberg, das Schloss Kaarz und das Gutshaus Groß Labenz, erfüllten nicht die Vorgaben der Heimmindestbauverordnung. In Abstimmung mit dem Sozialministerium plante deshalb der Landkreis Sternberg in den frühen Neunziger Jahren ein völlig neues, modernes Pflegeheim in Warin: das heutige Pflegeheim „Am Glammsee“. Es war das erste Pflegeheim in Mecklenburg-Vorpommern, das nach der Wiedervereinigung neu entstand. Im Dezember 1991 übernahm der Diakonieverein Güstrow die Trägerschaft, mitten in der Bauphase. Am 3. Oktober 1992 übergab uns der Landkreis Sternberg offiziell das moderne, frisch fertiggestellte Haus mit damals 124 Pflegeheimplätzen. Alle Pflegebedürftigen aus Groß Labenz und Kaarz, die zwischenzeitlich wegen der Baufälligkeit der Häuser in Ferienlager in Hasenwinkel bzw. Klein Labenz umquartiert worden waren, zogen in das neue Pflegeheim ein.
Immer offen und mutig für neue Ideen
30 Jahre Diakonie-Pflegeheim „Am Glammsee“ in Warin, 30 Jahre Diakonie-Sozialstation Güstrow! Wir tauchen ein in die Gründungszeit und reflektieren, was die Pflegeeinrichtungen zu dem gemacht haben, was sie heute sind.
Mit dem Pflegeheim Warin und der Sozialstation Güstrow begingen die ersten, in den Neunziger Jahren neu gegründeten Einrichtungen, die umfassende Pflege und Betreuung ermöglichen, nun ihr Jubiläum bei uns in der Diakonie Güstrow. Die Gründung beider Einrichtungen ist eng mit der politischen Wende und sozialen Transformationsprozessen verbunden. Im Zuge der Wiedervereinigung wurden bislang zentrale Strukturen aufgelöst und zügig westdeutsche Pflegemodelle mit ihren vielfältigen Trägern im stationären und ambulanten Bereich auf die neuen Bundesländer übertragen.
Vera Gätcke, die am 1. März 1993 Pflegedienstleiterin in Warin wurde, erinnert sich an die Anfangszeit: „Das moderne Haus und der neue Komfort waren eine große Umstellung für die Bewohner. Manchen fiel es schwer, mit der neuen Privatsphäre umzugehen.“ In den früheren Heimen teilten sich die Pflegebedürftigen einen Raum mit drei Zimmergenossen, auch gab es Schlafsäle und nur einen Aufenthaltsraum für alle. Gebadet wurde nach einem festen Badeplan einmal pro Woche. Nun, im Pflegeheim Warin, lebten sie in einem Einzel- oder Zweibettzimmer mit einem eigenen, modernen Bad. „Aber für unsere Mitarbeiter war die Arbeit im neuen Pflegeheim eine große Erleichterung, vor allem weil es großzügig und barrierefrei gestaltet worden ist“, so Vera Gätcke.
Eröffnung der ersten Diakonie-Sozialstation
Ganz anders sah die Situation der ambulanten Dienste aus. In der DDR versorgten Gemeindeschwestern, die weitgehend selbstständig arbeiteten, aber an Landambulatorien und staatliche Praxen angebunden waren, alte und kranke Menschen zu Hause. Darunter waren auch in Diakonissenhäusern ausgebildete Schwestern und Pfleger, die die lange und gute Tradition der Gemeindekrankenpflege in den mecklenburgischen Kirchgemeinden mit ihrer Arbeit fortführten. Mit der Wiedervereinigung wurde das Gemeindeschwesterwesen abgeschafft. An ihrer Stelle trat die Gründung vieler neuer Sozialstationen von Verbänden der freien Wohlfahrtspflege.
In Güstrow entstand am 1. Oktober 1990 die Diakonie-Sozialstation Mitte in Trägerschaft des Diakonischen Werkes. Zusammen mit zwei anderen neuen Pflegediensten teilte sich die Sozialstation die Versorgung der Menschen in Güstrow und in den umliegenden Dörfern gebietsweise auf, Konkurrenz gab es damit praktisch nicht. Die Arbeit begann in einem Haus der Pfarrkirchgemeinde (im Grünen Winkel 37) unter Leitung von Horst Affeld, der bei den Diakonissen in Ludwigslust ausgebildet worden war und später die „wohl möglich erste männliche Gemeindeschwester war“, wie er augenzwinkernd verrät. Mit drei weiteren ehemaligen Gemeindeschwestern und drei Zivildienstleistenden ging er täglich „auf Tour“: „In der Anfangszeit haben wir vor allem älteren Menschen im Haus und im Alltag geholfen. Den Ofen geheizt, den Einkauf erledigt, den Blutdruck gemessen, sie zum Arzt gefahren. Die Grundpflege, so wie wir sie heute kennen, lag bei den Angehörigen und war noch nicht Aufgabe der Pflegedienste.“ Zwei Fahrräder und ein Auto gehörten anfangs zur bescheidenen Ausstattung der Sozialstation. Am 1. Juli 1992 übernahm der Diakonieverein Güstrow die Diakonie-Sozialstation Mitte.
Mit der Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1994 und deren Inkrafttreten 1995 stellte der Gesetzgeber die Versorgung pflegebedürftiger Menschen auf eine neue Basis. „Das hat vieles verändert“, so Horst Affeld. „Wir fingen an, die Menschen zu pflegen, halfen beim Aufstehen, Waschen, An- und Ausziehen. Auf Anordnung der Ärzte oder von Krankenhäusern wechselten wir Verbände, gaben Medikamente oder Insulin.“ Die Aufgaben wurden umfangreicher, die Mitarbeiterschaft größer, gleichwohl mit der neuen Pflegeversicherung auch neue Marktmechanismen in Gang gesetzt wurden und es plötzlich Konkurrenz in den sorgfältig eingeteilten Gebietsgrenzen in Güstrow gab. Nach 14 Jahren, in der nächsten Wachstumsphase, übergab Horst Affeld die Pflegedienstleitung an Ilona Schallge.
Hohe Qualität im Pflegeheim
Mit Feuereifer stürzt sich auch Vera Gätcke im Pflegeheim Warin auf die neuen Aufgaben als Pflegedienstleiterin. „Als Krankenschwester mit Leib und Seele“, wie sie selbst sagt, „musste ich mich sehr umstellen. Plötzlich gehörte die komplette Organisation der Pflege, die Dienstplanung der Kollegen, die Aufnahme neuer Bewohner und der ganze „Bürokram“ zu meinen Aufgaben.“ Mit Heinz Kordelle, Waltraud Stürmer, später auch mit Antje Weidemann hat sie ein schlagkräftiges Team an ihrer Seite. Die Pflegeheimleitung treibt im Laufe der Jahre viele Veränderungen und moderne Angebote voran, um gesetzliche Anforderungen zu erfüllen und zugleich „den Bewohnern ein schönes Zuhause mit angenehmen Erlebnissen zu geben.“ Von Anfang an leben pflegebedürftige Senioren, teilweise mit geistiger und körperlicher Behinderung, aber auch jüngere Menschen, die durch Unfälle oder schwere Erkrankungen, Pflege benötigen, im Pflegeheim Warin. Im Jahr 2002 zogen die Bewohner der Mühlenbruchschen Schenkung, welches als Heim aufgegeben werden musste, ebenfalls in das Haus „Am Glammsee“.
Inzwischen leiten Nancy Wünsch, Manja Zuchel und Sascha Meyer als Dreiergespann das Pflegeheim Warin. Zusammen mit über 100 Mitarbeitern in der Pflege, der DSG Küche und DSG Reinigung tun sie alles dafür, dass sich die Bewohner im Haus wohlfühlen. Neben einer hochwertigen Pflege gibt es vielgestaltige Angebote, die anregen und Ruhe und Geborgenheit vermitteln: Wellnessbäder in der Pflegeoase, tiergestützte Therapien, Besuche von Kita-Kindern, Vorlesestunden im Märchenland, Handwerks-, Strick- und Kochgruppen, um nur einiges zu nennen. Mit vielen kleinen Gesten im Alltag versucht das Team jeden Tag für die 122 Bewohner so angenehm wie möglich zu gestalten. Neue Bewohner werden außerdem vor ihrem Einzug in ihrem Zuhause oder im Krankenhaus besucht, um einander kennenzulernen und Wünsche aufzunehmen.
Soziale Innovationen in der ambulanten Pflege
Über 30 Jahre nach der Gründung der Sozialstation Güstrow hat Christina Claussen die Verantwortung für 49 Mitarbeiter und rund 700 Klienten in der Pflege, Betreuung und Beratung. Das Team versorgt ältere und kranke Menschen in ihrem Zuhause, zunehmend auch jüngere Menschen mit psychischen Erkrankungen sowie Kinder und Jugendliche. „Wir betreuen immer mehr Kinder, die einen Pflegegrad haben und beraten ihre Eltern regelmäßig, welche Hilfen es gibt und wie sie ihre Kinder bestmöglich fördern können“, erzählt die Pflegedienstleiterin, die immer ein Stück weiter denkt und deshalb für diese Kinder eine pädagogische Betreuung durch unsere Frühförderstelle angeschoben hat, wenn die Eltern es denn in Anspruch nehmen möchten.
Gewachsen sind in den vergangenen zwei Jahren neben der klassischen Pflege und Hauswirtschaft auch die Beratungen im Pflegefall und der Bereich der Wundversorgung. Eine speziell ausgebildete Wundschwester versorgt akute als auch chronische und infizierte Wunden, entzündliche Erkrankungen und Verletzungen wie diabetische Füße, ein offenes Bein (Ulcus cruris) oder Druckgeschwüre (Dekubitus). Mit der Plasmatherapie wurde außerdem eine ganz neue, innovative Behandlungsmethode eingeführt, um Wundheilungen zu fördern. „Das werden wir auch in Zukunft machen: genau auf die Bedürfnisse unserer Klienten und Mitarbeiter sehen und Angebote unterbreiten, mit denen wir stärken können “, blickt Christina Claussen nach vorne.