Der 33-Jährige stellt sich im Schloss Matgendorf vor, erzählt seine Geschichte und bezieht schließlich mit richterlichem Unterbringungsbeschluss ein Zimmer im geschlossenen Wohnbereich. „Herr Nitzsche ist sehr offen, freundlich und hat sich schnell eingelebt“, sagt Eva Rudolphi-Nehring, die die Eingliederungshilfe leitet und ihn während der anderthalb Jahre, die er in Matgendorf bleiben wird, begleitet. Dem Tag eine Struktur geben, Termine wahrnehmen, kleine Aufgaben erledigen, regelmäßig die Medikamente einnehmen, pünktlich aufstehen, das sind einige der vielen kleinen Dinge, an denen er für sich arbeitet. „Was mir schwerfällt, ist das Aufstehen, denn viele Jahre war ich nachts wach, war aufgeputscht von Drogen, habe tagelang durchgemacht“, so Patrick Nitzsche.
An den Vormittagen geht er zur Ergotherapie, spielt Skat, bastelt und kocht, um seine körperlichen Fähigkeiten zu trainieren. Zweimal pro Woche arbeitet er in dem kleinen Dorfladen, den die Diakonie auf dem Gelände von Schloss Matgendorf betreibt. Räumt Waren ins Regal, verkauft Kaffee, Bockwurst mit Brötchen oder die tägliche Zeitung. Gerne sitzt er mit Enrico zusammen, der im offenen Wohnbereich wohnt, und trinkt Kaffee. Hin und wieder dreht er eine Runde um den kleinen See, der gleich hinter dem Schloss liegt.
„Herr Nitzsche ist auf einem guten Weg und zu vielem bereit“, so Eva Rudolphi-Nehring. „Er ist zuverlässig und hat sich in dem guten halbem Jahr, in dem er bei uns ist, schon eine Menge an kleinen Lockerungen im geschlossenen Wohnen erarbeitet.“ Er raucht alleine vor der Tür, besucht alleine seinen Freund Enrico, geht alleine zur Ergotherapie, spaziert alleine um den See und darf mit seiner Mutti, die ab und zu zu Besuch kommt, nach Teterow fahren.
Patrick Nitzsche spürt Besserung, auch wenn es langsam geht. „Ich habe in Matgendorf viel Zeit für mich. Ich brauche diese Zeit, denn nach wie vor habe ich einen Suchtdruck, ein inneres Verlangen nach Drogen. Manchmal habe ich wieder Stimmen im Kopf, manchmal fange ich ganz stark an zu zittern. Das Gute ist, hier habe ich keinen Zugang zu Drogen – und ich will nicht weglaufen.“
"Zweimal fast tot gewesen"
Patrick Nitzsche lebt im geschlossenen Wohnbereich der Psychosozialen Einrichtungen Schloss Matgendorf. Als Schutz vor sich selbst und um endlich von den Drogen loszukommen.

Mit 13 Jahren kifft Patrick Nitzsche das erste Mal. Heimlich, mit einem Freund, irgendwo in einem Dorf in der Nähe von Neubrandenburg, wo er behütet bei seinen Eltern aufwächst. Bis zur neunten Klasse besucht er eine Förderschule, schafft aber den Abschluss nicht, als der Drogenkonsum zunimmt. Seine Eltern fallen aus allen Wolken, merken viel zu spät, dass ihr Sohn abhängig ist. „Mit 18 Jahren ging es dann richtig los“, erzählt Patrick Nitzsche. Er nimmt aufputschende Amphetamine und Tetrahydrocannabinol, kurz THC, das in Cannabis, Haschisch und Mariuhana enthalten ist.
Eine Zeitlang schlägt der junge Mann sich durch, wohnt bei einem Freund in Neubrandenburg. Mit Anfang 20 wird er obdachlos, schläft abwechselnd in einer alten Gartenanlage oder in einem Center, das er morgens um 4 Uhr wieder verlassen muss, um nicht aufzufliegen. Um immer wieder an Stoff zu kommen, klaut er Geld, Elektrogeräte und andere Artikel, bricht sogar bei seinen Eltern ein, lässt Geld und das Auto mitgehen. Mehrfach sitzt er wegen Diebstahl, Körperverletzung und Fahren ohne Führerschein im Gefängnis ein. Im „Knast“ holt er seinen Hauptschulabschluss nach, bricht später aber eine Lehre als Tiefbaufacharbeiter ab.
Die Drogen hinterlassen ihre Spuren. 54 Kilo wiegt Patrick Nitzsche, er ist abgemagert, die Psyche und das Bewusstsein verändern sich. „Irgendwann hörte ich Stimmen im Kopf und fing an, mich mit mir selbst zu unterhalten.“ In der Reha-Klinik für Suchtkranke in Serrahn und in der sozialtherapeutischen Wohngruppe für Menschen mit Doppeldiagnose „Alter Speicher“ in Grevesmühlen wird diagnostiziert, dass er an einer psychischen Störung durch multiplen Substanzgebrauch und einem Abhängigkeitssyndrom leidet. Therapieversuche scheitern, „weil ich mich dort frei bewegen konnte. Es dauerte nicht lange, bis ich mir Drogen kaufte und rausflog.“
Zurück in Neubrandenburg gerät er eines Nachts in Streit mit einem Freund, läuft wutentbrannt auf die Straße – und gerät direkt vor ein Auto. Mit schweren Verletzungen wird Patrick Nitzsche in die Klinik eingeliefert, bleibt dort fast drei Monate, unterzieht sich einer Entgiftungsbehandlung. Zaghaft entsteht wieder Kontakt zu seiner Mutter. „In der Klinik wurde ich gefragt, ob ich die Behandlung in einer geschlossenen, psychiatrischen Einrichtung fortführen will. Ich habe gesagt: Ja, ich mache das“, erzählt Patrick Nitzsche, „aus Schutz vor mir selbst und zu meinem Schutz. Zweimal wäre ich schon fast tot gewesen, irgendwann habe ich vielleicht kein Glück mehr.“