Warum kam 1998 der Schritt nach Güstrow?
Regine Gruse: In Güstrow gab es zum Thema Sucht nur die Beratung im Gesundheitsamt bei Frau Dr. Stenzel und die Beratungsstelle vom DRK, welche aber zum 31.12.2000 aus finanziellen Gründen schließen musste. Das nunmehr geringe Angebot und die steigende Nachfrage hat die Diakonie Güstrow bewogen, eine Nebenstelle in Güstrow zu eröffnen. Zwei Kolleginnen von der bisherigen DRK-Suchtberatung, u.a. ich, wurden zum 1. Januar 2001 eingestellt, sodass es für mich einen nahtlosen Übergang gab. Wir starteten in der Gleviner Straße, zogen jedoch schnell in größere Räume in die Burgstraße um.
Viele Jahre gab es in Bützow auch das „StöWchen“ und in Güstrow das Kontaktcafé.
Regine Gruse: Das „StöWchen“ mit seinem Motto „Die Tür ist geöffnet, hindurchgehen musst du selber“ entstand unter Federführung von Frau Fiebig. Diese Begegnungsstätte war ein Angebot der Hilfe zur Selbsthilfe, ein Anlaufpunkt, ein Heimathafen, ja eine Ersatzfamilie für alle, die einsam waren und denen zu Hause die Decke auf den Kopf fiel. Abstinenz wurde nicht vorausgesetzt, aber natürlich war es nicht erlaubt, im „StöWchen“ Alkohol zu trinken. Die Menschen, die kamen, haben tagesstrukturierende Angebote und Geselligkeit erlebt. Sie konnten ihre Wäsche waschen, ein bisschen Gartenarbeit machen, an Ausflügen und Spielen teilnehmen. Für viele war es das einzige, was sie an Kontakten und Unterstützung hatten. Leider musste die Begegnungsstätte aus finanziellen Gründen nach gut zwölf Jahren schließen, genauso wie das Kontaktcafé, das es in Güstrow an wechselnden Orten etwa achteinhalb Jahre gab. Dort ging es ganz ähnlich zu wie im „StöWchen“. Suchtkranke, die alleine und einsam waren, tranken Tee oder Kaffee, erzählten miteinander, erlebten etwas. Zwei abstinent lebende Ehrenamtliche kümmerten sich um das Café, organisierten kleine Feste wie Fasching. Für die Suchtkranken war das eine gute Basis, um Zugang zu uns zur Beratungsstelle zu bekommen und Vertrauen zu fassen, auch unsere Beratung anzunehmen.
Gunter Wessalowski: Wir würden es sehr begrüßen, wenn wir in dieser Art wieder etwas hätten. Ich habe in Thüringen lange Zeit in einem derartigen Café gearbeitet und erlebt, wie wichtig ein solches niederschwelliges Angebot für Betroffene ist. Hier in Güstrow und in Bützow standen die suchtkranken Besucher plötzlich „auf der Straße“ und hatten keinen Anlaufpunkt mehr.
Als Antwort auf den wachsenden Bedarf beraten Sie seit Ende der Neunzigerjahre auch Drogenabhängige, Gefährdete und deren Angehörige.
Regine Gruse: Nach der Wende dachten viele, jetzt wird uns die Problematik mit den Drogen überrollen. Dem war nicht so, der Bedarf an Beratung entstand peu à peu. Denn der Markt musste erst einmal entstehen, d.h. es brauchte Zeit, dass Menschen Drogen konsumieren, über Jahre in die Abhängigkeit geraten und schließlich verstehen, dass sie abhängig sind. Wir hatten in der Beratungsstelle entsprechend Zeit, uns mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Die Beratung ist letztlich die gleiche wie bei Alkoholabhängigen, auch das Krankheitsbild und der körperliche Verfall sind ähnlich. Die Angebote zur Behandlung haben sich natürlich ausdifferenziert, z.B. wuchsen Kliniken für Drogenpatienten.