Pfändungsschutzkonto, Arbeitslosengeld 2, Verbraucherinsolvenz – Wörter, welche wir vor dreißig Jahren nicht kannten. Sie stehen beispielhaft für viele Veränderungen in der Schuldnerberatung, welche seit Einführung unseres Beratungsangebotes stattgefunden haben, welche sich auf die Arbeit der Berater und Beraterinnen und natürlich auf die Menschen, welche zu uns kommen, ausgewirkt haben. Neue Problemlagen haben sich entwickelt, neue Lösungswege wurden gefunden. Einige Veränderungen wirkten sich stärker aus als andere, stellen vielleicht Meilensteine dar, daher möchten wir einige der besonders relevanten hier beschreiben.
1999: Einführung des Verbraucherinsolvenzverfahrens
Erstmals gibt es für Verbraucher die Möglichkeit, von ihren Schulden befreit zu werden, wenn sie diese aus eigenen Kräften nicht regulieren können. Schwierig dabei sind die anfallenden Gerichts- und Treuhänderkosten, welche von den Schuldnern gezahlt werden müssen.
Die Beratung zur Verbraucherinsolvenz und die Unterstützung bei der Vorbereitung und Antragstellung stellen völlig neue Themen dar, welche umfangreiche Weiterbildung erfordern.
1999: Kooperationsverbund DRK – Diakonie
Insolvenzberatung darf in M-V nur die Beratungsstelle anbieten, welche vom Sozialministerium dafür anerkannt wird. Und nur solch eine Beratungsstelle kann eine finanzielle Förderung von Land und Landkreis erhalten. Um die erforderlichen Kriterien zu erfüllen, geht unsere Beratungsstelle eine Kooperation mit dem DRK Güstrow ein.
2001: Möglichkeit der Kostenstundung im Verbraucherinsolvenzverfahren
Die Hürde der Verfahrenskosten führte bisher dazu, dass den meisten privaten Schuldnern der Weg zur Restschuldbefreiung durch eine Verbraucherinsolvenz versperrt blieb. Erst mit Einführung der Kostenstundung, welche unter bestimmten Voraussetzungen sogar zu einem Erlass der Kosten führt, erhalten auch völlig mittellose Schuldner diese Chance.
2005: Hartz IV
Das Sozialhilfesystem ändert sich grundlegend. Einmal mehr sind wir Bindeglied im Hilfesystem, dessen neue Strukturen und Leistungen zwar auch für uns Berater, aber vor allem für Leistungsbezieher eine Herausforderung darstellen. Wir beraten zu neuen Leistungen, prüfen Bescheide.
Immer wieder kommt es zu Leistungskürzungen, so dass der Lebensunterhalt nicht mehr gesichert ist. Viel zu oft kommt es zu Rückforderungen. Beides führt zu neuen Beratungsinhalten.
Eingliederungsvereinbarungen zwingen leider immer wieder Leistungsbezieher, unsere Einrichtung aufzusuchen. Mit unserem Prinzip der Freiwilligkeit und dem Angebot einer anonymen Beratung ist das nicht vereinbar.
2010: Einführung des Pfändungsschutzkontos (P-Konto)
Ein völlig neues Schutzkonzept zur Sicherung des Lebensunterhaltes bei Kontopfändung wird mit dem P-Konto umgesetzt. Für die Betroffenen ergeben sich deutliche Erleichterungen, für die Schuldnerberater wiederum neue Beratungsinhalte, Aufgaben und Kompetenzen. Immerhin sind wir es nun, welche (den gesetzlichen Vorgaben folgend) in vielen Fällen darüber entscheiden, über welchen Betrag die Schuldner trotz gepfändetem Konto verfügen dürfen.
2020: Corona-Pandemie
Zum ersten Mal dürfen wir nicht von Angesicht zu Angesicht beraten, bleibt die Beratungsstelle vorübergehend für den Besucherverkehr geschlossen.
Neue Gesetzlichkeiten und neue Leistungen fordern uns Berater. Aufgrund unpräziser gesetzlicher Vorgaben und fehlender Rechtsprechung fehlen immer wieder Entscheidungsgrundlagen. Menschen, die sich bisher nicht vorstellen konnten, ihre finanziellen Verpflichtungen nicht erfüllen zu können, geraten in Bedrängnis.
2021: Verkürzung des Insolvenzverfahrens
Das Verfahren wird von sechs auf drei Jahre verkürzt. Da alle Schuldner von der Neuregelung profitieren möchten, kommt es zunächst zu einem enormen Stau und nach Inkrafttreten der Änderungen vorübergehend zu extrem hohen Fallzahlen. Außerdem ist das Thema Insolvenz mehr denn je in aller Munde und Dauerbrenner in der Beratung.
Wie einleitend beschrieben ist dies nur ein Teil der äußeren Veränderungen, welche sich in den vergangenen 30 Jahren auf die Beratungsstelle ausgewirkt haben. Dennoch wird deutlich, wie vielfältig und komplex die Beratungsarbeit ist, wie flexibel die Berater und Beraterinnen agieren und fortlaufend dazulernen müssen. Wir sind gespannt, wie sich die aktuellste Neuerung, nämlich die Regelungen im Zusammenhang mit dem Bürgergeld, auf die Schuldnerberatung auswirken wird und sind uns sicher, dass dieser Veränderung noch viele weitere folgen werden.