Zwanzig Jahre Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
Gastbeitrag von Olaf Köster, Bereichsleiter Agentur für Arbeit Rostock
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Als am 1. Januar 2005 Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe zum Arbeitslosengeld 2 zusammengelegt wurden, ahnte niemand, wie lange und intensiv die gesellschaftliche Diskussion über die Grundsicherung für Arbeitsuchende andauern würde. Ihre Entwicklung ist geprägt von strukturellen und inhaltlichen Reformen, die für alle Beteiligten immer wieder eine Herausforderung darstellen.
Die Grundsicherung für Arbeitsuchende, heute als Bürgergeld bekannt, soll den Leistungsberechtigten ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Die Regelbedarfe, die Leistungen für Unterkunft und Heizung, eventuelle Mehrbedarfe in besonderen Lebenslagen sowie einmalige Bedarfe erhalten Hilfebedürftige, die ihren Lebensunterhalt und den ihrer Bedarfsgemeinschaft nicht aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten können. Für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis 25 Jahre können auf Antrag finanzielle Leistungen für Bildung und Teilhabe erbracht werden, um ihnen eine bessere Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben zu ermöglichen.
Das Bürgergeld ist jedoch nicht bedingungslos und beschränkt sich auf die Zahlung von Leistungen zum Lebensunterhalt. Ob Arbeitslosengeld 2, Hartz IV oder Bürgergeld – die Grundsicherung für Arbeitsuchende war und ist immer mit der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verbunden. Für ihre Integrationsbemühungen geben die Jobcenter Jahr für Jahr hohe Summen für Aktivierung und Weiterbildung sowie Mobilitäts- und Eingliederungshilfen aus. Trotz sichtbarer Erfolge werden diese Mittel immer weiter gekürzt.
Dabei ist die Klientel, die die Jobcenter betreuen, nicht einfach. Langzeitarbeitslose, die für sich kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt sehen, Schutzsuchende mit geringen Deutschkenntnissen, Jugendliche und junge Erwachsene, die ihre Ausbildung abgebrochen haben und von der Vielzahl der Möglichkeiten überfordert sind. Sie alle suchen Unterstützung im Jobcenter und treffen dort auf engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ihr Bestes geben, um in schwierigen Zeiten zu helfen.
Mitte des Jahres erhielten im Landkreis Rostock 11.500 Menschen Bürgergeld, darunter 30 Prozent aus dem Ausland, vor allem aus der Ukraine und den acht Hauptasylherkunftsländern. Drei Viertel der Bürgergeldempfänger galten als erwerbsfähig, d.h. sie waren älter als 15 Jahre und konnten formal einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Tatsächlich standen mit 3.600 Arbeitslosen in der Grundsicherung aber weniger als ein Drittel der Bürgergeldempfänger dem Arbeitsmarkt unmittelbar zur Verfügung. Der Rest befand sich in schulischer Ausbildung, Integrationskursen, Aktivierungsmaßnahmen, Weiterbildungen oder stand dem Arbeitsmarkt krankheitsbedingt nicht zur Verfügung.
Das Umfeld, in dem die Jobcenter arbeiten, ist gewiss nicht einfach. Getrieben von der Politik, gebremst von einer schwächelnden Konjunktur, betreuen sie Menschen zwischen Analphabetismus, Globalisierung, Transformation und Digitalisierung immer mit dem Ziel, das wirtschaftliche Existenzminimum zu sichern und die Teilhabe am kulturellen und sozialen Leben unserer Gesellschaft zu ermöglichen. Dieser Grundsatz ist nicht verhandelbar, sondern leitet sich - vom Bundesverfassungsgericht bestätigt - direkt aus dem ersten Artikel des Grundgesetzes ab: Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Autor: Olaf Köster, Bereichsleiter Agentur für Arbeit Rostock